Klimafreundliche Runderneuerung in Gefahr. EU-Verordnung widerspricht sich.

Die Widersprüche zwischen der EU-Taxonomie-Verordnung und den EU-Kriterien für die umweltorientierte öffentliche Beschaffung im Bereich Straßenverkehr können „fatale Folgen“ haben und damit das Ende der Runderneuerung bedeuten, betont BRV-Geschäftsführer Michael Schwämmlein; gemeinsam mit der Allianz Zukunft Reifen halte man den Druck hoch, diese Widersprüche endlich auszuräumen

Artikel aus der Reifenpresse:https://reifenpresse.de/2024/06/21/verbaende-laufe-sturm-gegen-eu-kommission-ende-der-runderneuerung/

 

Autor Arno Borchers

 Die Verbände bauen zunehmend Druck auf die Europäische Kommission auf, endlich den offensichtlichen Widerspruch zwischen der EU-Taxonomie-Verordnung und den EU-Kriterien für die umweltorientierte öffentliche Beschaffung im Bereich Straßenverkehr beiseite und damit die bedrohlichen ökonomischen Auswirkungen auf die Runderneuerungsbetriebe in der EU abzuschaffen. Erst Anfang Juni hatte BRV-Geschäftsführer Michael Schwämmlein anlässlich der Jahreshauptversammlung des Verbands in Köln betont, die EU-Taxonomie könne „fatale Folgen“ haben und damit das Ende der Runderneuerung bedeuten. Nun legt die Allianz Zukunft Reifen (AZuR) nach und unterstreicht ihrerseits das Gefährdungspotenzial, dass die widersprüchliche EU-Politik auf die Runderneuerung hat – und fordert, schnellstmöglich eine Anpassung zugunsten der Einsetzbarkeit von runderneuerten Reifen in den EU-Verordnungen vorzunehmen.

Die europäische Runderneuerungsindustrie leide „nicht nur unter Überregulierung, hohen Energiepreisen und der Marktüberschwemmung durch Billig-Importreifen aus Fernost. Es mangelt auch an konsequenter Unterstützung der klimafreundlichen Technologie von Seiten der Politik“, fasst die Allianz Zukunft Reifen zusammen. Zwar gestatteten die EU-Kriterien für die umweltorientierte öffentliche Beschaffung im Bereich Straßenverkehr die rechtssichere Ausstattung aller Fahrzeuge der öffentlichen Hand mit runderneuerten Reifen. In der Praxis verhindere jedoch die EU-Taxonomie-Verordnung zum straßengebundenen Güter- und Personentransport den Einsatz ebendieser Runderneuerten, da diese noch immer nicht im Anwendungsbereich der Reifenkennzeichnungsverordnung enthalten sind, so AZuR weiter.

Die Initiative stellt fest: „Der Selbst-Widerspruch der EU-Kommission gegen ihre eigenen Kriterien und Verordnungen hat drastische Folgen für den Umwelt- und Klimaschutz, da die Runderneuerung in Europa jährlich hunderttausende Tonnen Abfälle vermeidet, CO2-Emissionen spart und die natürlichen Ressourcen schont. Die widersprüchliche EU-Politik hat zudem bedrohliche ökonomische Auswirkungen auf die Runderneuerungsbetriebe.“ Erst kürzlich sei bei einem größeren Verkehrsbetrieb der Ankauf und damit Einsatz von runderneuerten Reifen aufgrund der EU-Taxonomie-Verordnung gestoppt worden, was den Runderneuerer „in eine wirtschaftliche Schieflage brachte“, so AZuR, ohne den Namen des betreffenden Runderneuerers zu nennen.

 

Mit der EU-Taxonomie-Verordnung versucht die EU-Kommission, Wirtschaftstätigkeiten in Bezug auf ihre Nachhaltigkeit zu klassifizieren. Die Nachhaltigkeit von Unternehmen soll bewertet und gefördert werden. Entsprechende Wirtschaftstätigkeiten gelten laut EU-Taxonomie dann als „ökologisch nachhaltig“ und insofern als taxonomiekonform, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der sechs in der EU-Taxonomie festgelegten Umweltziele leisten. Diese sind:

 

  1. Klimaschutz
  2. Anpassung an den Klimawandel
  3. Nachhaltige Nutzung und Schutz von natürlichen Ressourcen
  4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  5. Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
  6. Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen

Die EU-Verordnung betrifft auch den straßengebundenen Güter- und Personentransport und bezieht sich unter anderem auch auf den Einsatz „geeigneter Bereifung“. Bei den Maßnahmen zur „Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung“ wurden dabei allerdings ausschließlich Reifen festgelegt, die nach der aktuellen Reifenkennzeichnungs-Verordnung (EU) 2020/740 die in der jeweiligen Reifenklasse verfügbare geringste Abrollgeräusch-Reifenlabel-Klassifizierung und eine der beiden besten Rollwiderstands-Klassifizierungen aufweisen. „Da runderneuerte Reifen aktuell noch immer nicht im Anwendungsbereich der Reifenkennzeichnungs-Verordnung enthalten sind, heißt das im Umkehrschluss: Runderneuerte Reifen sind generell außen vor oder eben ungeeignet“ bzw. gelten nicht als „geeignete Bereifung“ im Sinne der EU-Taxonomie-Verordnung. AZuR: „Hier widerspricht die EU ihren eigenen Verordnungen, wogegen der Europäische Runderneuerungsverband BIPAVER und die Allianz Zukunft Reifen (AZuR) massiv Einspruch erhoben haben.“

 

Der europäische Runderneuerungsverband BIPAVER versucht bereits seit Jahren, gemeinsam mit der Neureifenindustrie und deren Organisationen ETRMA und ETRTO, zumindest für runderneuerte C3-Reifen (Lkw- und Busreifen) eine Möglichkeit zur Erteilung/Erstellung eines Reifenlabels auf den Weg zu bringen. „Mit diesem Reifenlabel wäre die Integration runderneuerter Lkw- und Bus-Reifen in die Reifenkennzeichnungs-Verordnung und damit auch in die Taxonomie-Verordnung möglich“, fasst die Allianz Zukunft Reifen zusammen.

 

Immerhin habe man erreichen können, dass in den EU-Kriterien für die umweltorientierte öffentliche Beschaffung im Bereich Straßenverkehr runderneuerte Reifen in Bezug auf Umwelt- und Sicherheitseigenschaften entsprechend gelabelten Neureifen gleichgestellt werden – unter der Maßgabe, dass die runderneuerten Reifen nach ECE-Regelung 108/109 typgenehmigt sind.

 

Auch die deutschen Verbände und Organisation BRV und AZuR haben die EU-Kommission bereits „wiederholt auf diesen Selbst-Widerspruch hingewiesen und bereits mehrmals gefordert, hier schnellstmöglich eine Anpassung zugunsten der Einsetzbarkeit von runderneuerten Reifen vorzunehmen“. In diesem Zusammenhang sei die EU-Kommission nochmals auf die Dringlichkeit der längst überfälligen Integration runderneuerter C3-Reifen in die Reifenkennzeichnungs-Verordnung hingewiesen worden, heißt es dazu weiter, verbunden mit der Feststellung: „Nur so kann sichergestellt werden, dass runderneuerte Reifen im Rahmen der nachhaltigen europäischen Reifen-Kreislaufwirtschaft endlich die Stellung erhalten, die ihnen schon lange zustünde.“