Sommerreifen oder Ganzjahresreifen? Profi-Tipps zur richtigen Reifenwahl

Vom Winterreifen auf Sommerreifen wechseln oder doch lieber einen Ganzjahresreifen kaufen? Diese Frage stellen sich viele Autofahrer im Frühjahr. In punkto Bequemlichkeit und Kosten scheint ja der Ganzjahresreifen zu punkten: Der zweimal jährliche Werkstatttermin für die Umrüstung auf die Saisonbereifung entfällt, dadurch könnte man Zeit sowie Kosten für den zweiten Satz Reifen, die Ummontage und gegebenenfalls den Einlagerungsservice sparen.

„Das klingt für den Laien erst mal logisch, aber ganz so einfach geht die Rechnung nicht auf“, sagt Alexander Stiebling, Geschäftsführer bei Reifen Stiebling in Herne und setzt hinzu: „Welche Reifen für wen die richtige Wahl sind, hängt stark von den Nutzungsbedingungen des Fahrzeugs ab.“

Allgemein sollte man wissen, dass der Ganzjahresreifen ein technischer Kompromiss und von seinen Eigenschaften her meist näher am Winter- als am Sommerreifen positioniert ist. Durch die für den Wintereinsatz benötigte weichere Gummimischung wird der „Allrounder“ in den Sommermonaten einen höheren Rollwiderstand aufweisen. Im Vergleich zu einem Sommerreifen führt das zu erhöhtem Kraftstoffverbrauch bzw. zu geringeren Reichweiten bei Elektro- und Hybridfahrzeugen und verminderter Laufleistung infolge höheren Reifenabriebs. „Beides kann die vermeintliche Kosteneinsparung deutlich reduzieren oder sogar zu Mehrkosten führen“, sagt Alexander Stiebling.

Zudem sei wichtig zu klären, wie viel und in welchem Umfeld das Fahrzeug bewegt wird: Überwiegen Fahrten in der Stadt oder in einer Flachland-Region, ist die jährliche Laufleistung gering und das Fahrzeug kann bei extremem Winterwetter auch mal stehen bleiben, wäre das eine Voraussetzung für Ganzjahresreifen. Weist das Fahrzeug hingegen eine hohe jährliche Laufleistung auf und muss das ganze Jahr über durchgehend für längere Strecken genutzt werden, empfiehlt sich die Kombination von Sommer- und Winterreifen. Gleiches gilt, wenn geplant ist, das Fahrzeug für den Winterurlaub, Fahrten in schneereiche Gebiete oder für längere Urlaubsfahrten nach Südeuropa zu nutzen – hier sind die jeweiligen Saisonspezialisten definitiv die bessere Alternative!

Auch der Fahrzeugtyp sollte bei der Reifenwahl eine Rolle spielen. „Besonders bei hochmotorisierten, schweren Fahrzeugen, eventuell mit hohem Schwerpunkt, wie z. B. bei einem SUV oder Van, kommen die Einschränkungen des Ganzjahresreifens bei der Nutzung im Sommer zum Tragen“, erklärt der Experte von Reifen Stiebling. „Durch die an Winterreifen orientierte Profilgestaltung und die weichere Gummimischung wird das Handling im Vergleich zum Sommerreifen deutlich beeinträchtigt. Die Lenkansprache wird indirekter, das Fahrverhalten wird als instabil empfunden – besonders wenn der Wechsel von abgefahrenen Sommer- auf Ganzjahresreifen erfolgt –, der Bremsweg nimmt mit steigenden Temperaturen deutlich zu. Außerdem steigt der Reifenabrieb und die Neigung zu unregelmäßigen Abriebbildern verstärkt sich, was zu lauterem Abrollgeräusch führen kann.“ Die erhofften Vorteile von Ganzjahresreifen werden also letztlich durch Komfort- und Sicherheitseinbußen erkauft.

Achtung auch bei Fahrten ins Ausland: In einigen Ländern gelten Mindestprofiltiefen für Winter- und Ganzjahresreifen, z. B. 4 mm in Österreich. Ein Ganzjahresreifen mit weniger Profil wäre dann im entsprechenden Land unzulässig, obwohl er im Sommer hierzulande weiter einsetzbar wäre.

In Italien sind im Sommer (genauer gesagt: im Zeitraum vom 16. Mai bis 15. Oktober) Winter- und Ganzjahresreifen nur zulässig, wenn ihr Geschwindigkeitsindex mindestens dem in den Fahrzeugpapieren eingetragenen Index entspricht. Da dieser schon bei Mittelklassefahrzeugen oft oberhalb der zulässigen Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs liegt, müssten hier im Prinzip leistungsfähigere und damit entsprechend teurere Reifen mit höherem Speedindex montiert sein als das Fahrzeug technisch eigentlich benötigt.

„Wer mit dem Gedanken spielt, von der Kombination aus Sommer- und Winterreifen auf eine Ganzjahresbereifung umzusteigen, sollte sich dazu gut beraten lassen, damit die Bereifung der Wahl letzten Endes den eigenen Ansprüchen an Fahrkomfort und Sicherheit genügt.“, so lautet das Fazit des Reifenexperten. „Fakt ist, dass auch bei Ganzjahresreifen eine regelmäßige Kontrolle, das Umstecken von der Vorder- auf die Hinterachse und ein regelmäßiges Auswuchten unverzichtbar sind, um optimale Laufleistung, Sicherheit und Komfort zu gewährleisten!“