Fünf Jahrzehnte Reifen Stiebling - von der Lehre bis zur Rente

Herbert Fernau (63) hat das geschafft. Warum er bei Reifen Stiebling blieb, erzählt er im Interview mit der WAZ.

Fast fünf Jahrzehnte im selben Betrieb: Herbert Fernau (63) hat das geschafft. Warum er bei Reifen Stiebling blieb, erzählt er im Interview.

Von der Ausbildung bis zur Rente in ein und demselben Betrieb zu arbeiten, das schafft heute kaum noch jemand. Herbert Fernau hat es bei Reifen Stiebling auf fast fünf Jahrzehnte gebracht. Der Herner hat an seinem letzten Arbeitstag mit Jennifer Humpfle über die Veränderungen gesprochen und darüber, warum er dem Betrieb so lange die Treue gehalten hat.

Sie sind seit fast 50 Jahren hier im Betrieb. Haben Sie eigentlich auch wo anders gearbeitet?

Fernau: Nein, ich habe mit 15 hier angefangen, zunächst in der Filiale in Castrop und bin jetzt seit 48 Jahren im Betrieb. Alfred Stiebling senior hat mich damals eingestellt.

Wie haben Sie sich beworben?

Ich habe einfach vorgesprochen und dann hat er gesagt, ,Komm‘ mal vorbei, aber geh vorher zum Friseur, wenn es geht‘. Ich hatte damals ‘ne lange Matte. (lacht) Wir liefen ja früher alle so rum.

Wie war das als Sie angefangen haben?

Ich habe als Jungarbeiter angefangen. Das hieß damals Industriemechaniker, heute Reifenmechaniker. Ich habe zunächst in der Runderneuerung gearbeitet. Dort war meine Aufgabe, Reifen abzuheizen. Das kann man sich vorstellen wie ein Waffeleisen, in das abgefahrene Reifen mit Rohgummi ummantelt gelegt wurden. So wurde das Profil in den Reifen gepresst. Das nennt man Warmvulkanisation. Da haben wir noch Pkw-Reifen runderneuert. Heute wird das kaum noch gemacht.

Was war früher schwerer als heute?

Es war sicher keine leichte Arbeit, ist es zwar heute auch nicht, aber durch die neuen Maschinen ist die Arbeit doch erleichtert worden. Das Auswuchten der Reifen war früher wesentlich anstrengender. Heute gibt es in der Runderneuerung Belegemaschinen, die das vorgefertigte Profil auf die Reifen aufbringen. Das musste früher von Hand gemacht werden.

Was hat sich ansonsten verändert?

Die Größe der Autoreifen zum Beispiel. Heute hat man 24-Zöller und die sehen aus wie vom Lkw. Früher war die gängigste Reifengröße 155 R13. Damals gab es zehn oder zwölf Ausführungen, heute hat jedes Auto eine eigene. Es war anfangs deutlich mehr Handarbeit, über die Jahre ist immer mehr Technik dazugekommen. Früher haben wir mehr Reparaturen an Reifen gemacht.

Ist die Technik eine Erleichterung?

Zum Teil ja, aber man muss heute viel mehr technische Voraussetzungen beachten bei der Reifenmontage. Bis ein Auto fertig ist, das dauert heute deutlich länger.

Was hat sich sonst verändert?

Früher war hier immer Chaos, wenn es Schnee gab. Da standen 100 Leute auf dem Hof und wollten ihre Winterreifen haben. Heute ist alles digitalisiert und die Termine systematischer. Die Prozesse haben sich stark verändert.

Irgendwann sind Sie Werkstattleiter geworden...

Nach der Bundeswehr bin ich von der Runderneuerung in die Montage gekommen. Da habe ich Reparaturen rund um Autos, Motorräder und Lkw gemacht. 1987, mit 30 Jahren, bin ich dann vom Monteur ins Angestelltenverhältnis gewechselt und bin zum Werkstattmeister geschult worden.

Haben Sie auch in Ihrer Freizeit an Autos geschraubt?

Nein, ich hatte ja nicht viel Freizeit. Ich war froh, wenn ich Feierabend hatte. Ich freue mich aber immer, wenn ich ein schönes Auto sehe – sei es ein Oldtimer oder ein schönes neues Auto. Da habe ich schon Spaß dran. Manche Kunden haben auch Oldtimer, da haben wir dann ab und an mal ein schönes Teilchen hier in der Werkstatt stehen. Vor kurzem hatten wir einen Rolls-Royce.

Hätten Sie damals gedacht, dass Sie so lange bei Stiebling bleiben?

Bei der Bundeswehr haben sie mir angeboten, mich zu verpflichten. Das habe ich aber abgelehnt. Danach hatte ich auch überlegt, ob ich vielleicht bei Opel anfange. Aber ich hatte dann ein Gespräch mit Alfred Stiebling junior und wir sind gut klargekommen.

Warum haben Sie Stiebling so lange die Treue gehalten?

Zum einen weil Reifen Stiebling ein Familienbetrieb ist. Man hat immer einen Ansprechpartner. Mit den Arbeitskollegen hatte ich immer ein gutes Verhältnis. Das war eigentlich ausschlaggebend. Ich habe mich wohlgefühlt.

Über die Jahre haben Sie sicher viele Lehrlinge kommen und gehen sehen.

Das stimmt. Die haben heute natürlich einen anderen Kopf. Aber man muss auch auf die Leute eingehen. Der eine oder andere fällt dann mal durch die Prüfung, aber im Großen und Ganzen haben wir gute Auszubildende. Nur fegen können die heute alle nicht mehr (schmunzelt). Großvater Stiebling hat mir damals beigebracht, wie man richtig fegt: Immer vom Körper weg.

Wird Ihnen die Arbeit fehlen?

Weiß ich noch nicht (lacht). Ich habe jetzt erstmal noch Urlaub und ab dem 1. Januar schaue ich dann, ob ich mir vielleicht ein Motorrad kaufe.