100% Zutrauen - Vierte Generation rückt in Geschäftsführung auf

Generationentandem nimmt Kurs auf die Zukunft: Seniorchef Christian Stiebling beruft seinen Sohn Alexander als 2. Geschäftsführer in die Führungsspitze des Herner Familienunternehmens

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Interview mit Alexander Stiebling

Interview mit Alexander Stiebling

Mit der Wippentheorie nach oben

Erste Erfolge, zukünftige Schwerpunkte und das, was auf jeden Fall bleibt: Fünf Fragen an Alexander Stiebling, ab 1. Dezember 2020 zweiter Geschäftsführer der „Reifen Stiebling GmbH“ in Herne

 

Herr Stiebling, sind Ihr Vater und Sie immer einer Meinung?

Alexander Stiebling: Nein, sicherlich nicht. Uns vereint in vielen Dingen eine sehr ähnliche Grundhaltung, zum Beispiel zum Thema Personal und der sozialen Verantwortung, die man als Unternehmer zweifellos hat.

Wie sehr wir uns aber unterscheiden können, zeigte bereits eine meiner ersten Schritte im Unter-nehmen nach dem Masterstudium. Gegen den Wunsch meines Vaters übernahmen wir die Fahrzeugflotte eines mobilen Dienstes, der den Pkw-Reifenservice beim Kunden vor Ort ausführt, und bauten ihn mit Erfolg weiter aus. „Reifenwechsel bei Dir“ verfügt inzwischen über einen begeisterten Kundenstamm – die Fahrzeuge sind ständig ausgebucht. Heute sind wir hier einer Meinung: Die Entscheidung war genau richtig.

Welchen Weg muss der Reifenhandel gehen, um am Markt erfolgreich zu bleiben?

Alexander Stiebling: Wir müssen die riesigen Chancen, die die Digitalisierung bietet mit größter Konsequenz verstehen und für uns nutzen. Digitalisierung ist keineswegs ein Hexenwerk, sondern ein entscheidendes Instrument, um die Zufriedenheit unserer Kunden weiter zu verbessern. Dazu gehört im ersten Schritt, die internen Prozesse und Abläufe mit Hilfe neuester Technologien deutlich effizienter zu gestalten. Dann brauchen wir eine Anbahnung des Geschäfts über alle Kanäle, persönlich und mobil. Wir müssen in der Lage sein, mit allen „Playern“ zukünftiger Mobilität zu arbeiten und zu kommunizieren. Das alleine ist eine Herkules-Aufgabe, die uns laufend vor neue Herausforderungen stellt.

Ich bin überzeugt davon, dass wir unter Wahrung unserer Selbstständigkeit selbst eine führende Rolle im Service für die zukünftige Mobilität übernehmen können, zum Beispiel im Team mit anderen ambitionierten und freien Unternehmen unseres Marktes. Auch darin unterscheide ich mich von meinem Vater.

Was werden Sie von Ihrem Vater übernehmen?

Alexander Stiebling: In jedem Fall das soziale Engagement, das „Reifen Stiebling“ seit jeher aus-zeichnet. Soziales Handeln ist ein zentraler Eckpfeiler in der Beziehung zu unseren Mitarbeitern, aber auch zu Kunden und Lieferanten. Wir gehen mit unserer Hilfe dorthin, wo die Menschen sind. Natürlich erhöht dies alles auch den Bekanntheitsgrad unseres Unternehmens und hilft uns nach außen, was wiederum neue Kunden zu uns führt. Wir leben diese Haltung aber auch nach innen, denn unsere Mitarbeiter identifizieren sich mit unserem Tun und daher auch mit der Firma.

Was macht „Reifen Stiebling“ als Arbeitgeber besonders?

Alexander Stiebling: Nach innen sind es Werte wie Fairness, Transparenz und Verantwortung, die die Geschäftsführung den Mitarbeitenden vorlebt. Dazu gehören flexible Arbeitszeitmodelle, Stromgutscheine, die Mitarbeiter vor dem jährlichen „Abrechnungsschock“ bewahren, Weihnachts- und Urlaubsgeld, Firmenfeste und Jubiläumsfeiern. Entgegen dem Trend in der Branche gibt es bei „Reifen Stiebling“ kaum Kündigungen, was sicher auch daran liegt, dass jede und jeder Mitarbeitende merkt, wie wichtig sie oder er uns ist.

Gibt es schon Pläne, wie der Übergang vollzogen werden soll?

Alexander Stiebling: Wir planen die Übergabe mit einem Horizont von etwa 5 Jahren. Wir folgen damit einer Tradition, die schon für den Urgroßvater, den Großvater und den Vater galt. Mein Opa hat sie als Wippentheorie beschrieben. Zuerst saß der Vater oben, dann trafen sich Vater und Sohn in der Mitte, und als der Vater ging, saß der Sohn oben. Genauso machen wir es jetzt wieder.



Artikel aus der WAZ vom 25.11.2020

Artikel aus der WAZ vom 25.11.2020

Autor: Tobias Bolsmann

 

Bei Reifen Stiebling rückt die vierte Generation nach

Die Nachfolge in Familienunternehmen kann eine heikle Sache werden. Wie das Herner Unternehmen Reifen Stiebling den Übergang ordnet.


Die nächste Generation auf dem Chefsessel Platz nehmen lassen - das kann in Familienunternehmen eine heikle Angelegenheit sein. Nicht selten will die Elterngeneration keinen Platz machen, der Drang und die Ideen der Nachfolger werden ausgebremst. Diese Gefahr besteht bei Reifen Stiebling nicht, die Übergabe von der dritten an die vierte Generation ist eingeleitet.


Zum 1. Dezember sind Christian (62) und sein Sohn Alexander Stiebling (29) beide gleichberechtigte Geschäftsführer des über 90-jährigen Unternehmens . „Wir haben das bewusst gemacht, um Kunden und Lieferanten zu dokumentieren, dass es bei all den Problemen mit einem klaren Konzept nach vorne geht“, so Christian Stiebling . Sein erklärtes Zeil sei es, die Aufgaben, die er jetzt noch habe, innerhalb der nächsten fünf Jahre an seinen Sohn abzugeben.


Entscheidung am 60. Geburtstag verkündet


Die Frage des Loslassens sieht er „völlig entspannt“. Die größten Probleme loszulassen, hätten immer die Gründer. Diese Erfahrung habe sein Vater machen müssen, deshalb habe dieser mit großer Konsequenz abgegeben. „Das ist der Lauf der Dinge, das Leben währt nicht ewig“, so Stiebling. Und je früher man die Entscheidung treffe, desto einfacher sei sie. „Es gibt ganz viele Beispiele, wo es schief gegangen ist“, ergänzt Alexander Stiebling. Die Gründe: Viele Unternehmer meinten, weil es der Sohn oder die Tochter ist, sie zum Nachfolger machen zu müssen. Dann hätten sie aber Zweifel und kämen nie zu einer Entscheidung. Und je älter man werde, desto schwieriger tue man sich damit abzugeben. Die entscheidende Frage sei, so Christian Stiebling: Habe ich einen Nachfolger, dem ich das zutraue oder nicht? Seine Antwort: siehe oben. Die Entscheidung habe er an seinem 60. Geburtstag verkündet.

Aus Sicht von Alexander Stiebling ist ein wichtiger Aspekt, ob der Senior-Chef in der Lage ist Veränderungen zuzulassen und sie zu verstehen. Das herausragende Beispiel: die riesigen Umwälzungen, die die Digitalisierung mit sich bringen. In dieser Hinsicht haben Vater und Sohn auch ihre Auseinandersetzung gehabt: Sohn Alexander wollte das Start-up „Go James“ kaufen, Vater Christian war dagegen. Der Sohn setzte sich durch - und spätestens mit der Coronakrise hat sich der mobile Reifenservice zum Volltreffer entwickelt. „Die Entscheidung war mehr als richtig“, so Christian Stiebling. Und wenn sie falsch gewesen wäre? „Ich muss auch Fehler zulassen“, so der Senior-Chef. Er habe selbst genug Fehler gemacht.

Dass Alexander einmal das Unternehmen führen würde, hat sich schon recht früh angedeutet, zumal sein Bruder Tobias (27) kein Interesse zeigte und Lehramt studiert. Alexander hat in Hannover zunächst Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt mittelständische Wirtschaft studiert, danach ging er zur Zeppelins-Universität in Friedrichshafen , die einen Studiengang ausschließlich für Nachfolger in Familienunternehmen anbietet. Außerdem war er im Laufe seines Studiums bei verschiedenen Unternehmen der Reifenbranche im Praktikum. Gerade die Zeppelins-Universität sei zu 100 Prozent Vorbereitung auf den Einstieg im Familienunternehmen gewesen.

Dass sein Sohn nun langsam die Geschäfte übernimmt, löse in ihm ein Gefühl der Erleichterung aus, so Christian Stiebling. Er wisse, dass sein Sohn die gleiche Philosophie bei der Unternehmensführung habe. Die Erleichterung gelte aber auch für das operative Geschäft. Nun könne er sich wieder um Dinge kümmern, die zu kurz gekommen seien. Dagegen spürt Sohn Alexander noch keine zusätzliche Last - was daran liege, dass gerade das Geschäft brumme und er noch eine Filiale leite. Vielleicht komme das später, wenn er Zeit zum Nachdenken habe.

Pressemitteilung

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Herne, im November 2020. Seit drei Generationen wird das Herner Traditionsunternehmen „Reifen Stiebling“ von der Familie geführt, jetzt folgt die vierte: Zum 1. Dezember 2020 beruft der geschäftsführende Gesellschafter Christian Stiebling (62, rechts) seinen Sohn Alexander (29, links) in die Geschäftsführung. „Wir haben eine klare Aufgabenteilung vereinbart, damit die Nachfolge so rund wie möglich laufen kann“, betont der Senior, der 1996 auf die gleiche Weise von seinem Vater Alfred mit der Führungsverantwortung vertraut gemacht wurde. Bei „Reifen Stiebling“ nimmt ein Generationentandem Kurs auf die Zukunft.

„Reifen Stiebling“ – dieser Name steht seit 1929 für ein wirtschaftlich erfolgreiches Familienunter-nehmen mit zwölf Filialen und ca. 200 Mitarbeitern im Ruhrgebiet und am Niederrhein. „Menschen mit Profil“ lautet der selbstbewusste Leitspruch des Dienstleisters. Für den Doppelpass mit seinem Vater stellte Alexander Stiebling frühzeitig die Weichen. Ein duales Bachelor-Studium in Hannover legte dir Grundlage für die zukünftigen Führungsaufgaben, abgerundet wurde die Ausbildung durch mehrmonatige Praktika bei Reifenherstellern im In- und Ausland sowie großen nationalen Reifenvermarktern.


Masterarbeit zur besonderen Rolle und Akzeptanz von Familienunternehmen

Ihre Spitze erreichte die Lernkurve mit einem viersemestrigen Masterstudiengang am Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen an der Zeppelin-Universität. Mit einer Masterarbeit über die besondere Rolle und Akzeptanz von Familienunternehmen im Ein- und Verkauf erwarb Alexander Stiebling 2018 den „Executive Master for Family Entrepreneurship“, einen Abschluss, der als berufsbegleitender universitärer Masterstudiengang für Familienunternehmen einzigartig in Europa ist.


Fokus auf Digitalisierung, IT und Marketing

Kein Wunder also, dass sich der Junior in einem ersten Schritt hauptsächlich um Vertrieb, den Auf-bau neuer Geschäftsmodelle, Digitalisierung, IT und Marketing kümmert. Der Senior widmet sich dem Personalmanagement und hält Kontakt zu Lieferanten. Christian Stiebling: „Diese Aufgabenteilung hat schon beim Übergang von meinem Vater zu mir sehr gut geklappt und eine extrem kreative Phase in unserem Unternehmen ausgelöst“. Er traue seinem Sohn die neue Position zu einhundert Prozent zu. Es sei ihm schon lange klar gewesen, dass Alexander in diese Richtung gehe, und er habe ihn nie in diese Position hineinschieben wollen. Nachdem der erste Schritt gelungen sei, sei er „völlig entspannt“: „Ich kann gut loslassen.“ Noch fünf Jahre will Stiebling seinen jungen Mit-Geschäftsführer in dem „schwierigen Prozess, in dem unsere Branche steckt“, begleiten und mit Ideen für Innovationen und Expansion unterstützen, denn „für beides habe ich bald hoffentlich mehr Zeit“.